Seit Jahren benutze ich iPads – die letzten beiden, die ich in Gebrauch habe, in der Pro-Version. Aktuell liegt neben mir eines der 4. Generation mit 12.9 Zoll Bildschirmdiagonale und dem passenden Pen der 2. Generation.
Vor ein paar Tagen hat Apple neue iPads vorgestellt, die nicht den M1- oder M2-Chip (als Prozessor) haben, sondern sogar einen M4! Ich schreibe das mit einem ironischen Unterton, weil ich denke, dass diese Entwicklung langsam manische Züge annimmt. Und zwar in der Weise, dass der Konsument – sofern er nicht das nötige Kleingeld hat – kaum noch in der Lage ist, genau einzuschätzen, welchen Mehrwert ein Kauf eines neuen Gerätes, iPhone oder iPad, für ihn hat. Das nötige „Kleingeld“: das neue iPad Pro mit 13 Zoll Diagonale, Nano-Glas, 2 Terabyte (!) Speicher, Mobil-Chip für den Internet-Empfang unterwegs (die sogenannte Cellular-Variante) und einem neuen passenden Stift (150,-€) kostet 3288,- €. Wenn man noch 200,- € drauflegt, bekommt man schon ein sehr gut ausgestattetes Macbook Pro mit 16 Zoll Bildschirm und M3-Chip. Die Details zu den Geräten kann man sich auf den wie üblich sehr Appetit anregenden Seiten des Apple-Stores ansehen.
Selbstverständlich gibt es in der Medienwelt Profis, die schon sehnsüchtig auf diese Boliden gewartet haben, damit sie ihre Sound-Produktion oder ihre Filmschnitte unterwegs zum nächsten Meeting anfertigen können. Der Kunde ist anspruchsvoll und ungeduldig.
Ich brauche das alles nicht, obwohl ich mir in den vergangenen Jahrzehnten lange eingebildet habe, die Kenntnisse und kreativen Fähigkeiten zu besitzen, die genau zu der oben beschriebenen Technik passen. Oder die Computerspiele spielen zu können und zu wollen, die unbedingt die nächste Grafikkarten- und Prozessorgeneration (vor allem im Windows-PC-Bereich) benötigen.
Vieles davon hat sich als Chimäre entpuppt. In der aktuellen „Zeit“ (Ausgabe 21) las ich einen Artikel über die Selbstüberschätzung von Männern und die Selbstunterschätzung von Frauen. Weil ich gelernt habe mit zunehmendem Alter mich selber kritisch zu hinterfragen, musste ich mir eingestehen, dass der Kauf und Betrieb allerneuester Technik im Computerbereich, in der Fotografie (neueste Kameramodelle und so), Musik (digitales Piano, ein Keyboard, diverse Software für mein iPad) mich finanziell zwar nicht gerade ruiniert, jedoch verhindert haben, dass ich das übliche kleine finanzielle Polster für das Alter zusammengebrachte. Und das alles nur aus der Selbstüberschätzung heraus, für letztlich gescheiterte anspruchsvolle kreative Projekte oder zeitraubende PC-Spiele die notwendigen persönlichen Ressourcen zu haben.
Und wie ist es mit dem Freizeitwert? Oder bietet die Beschäftigung mit diesem Bereich nicht auch die Chance, im Alter geistig fit zu bleiben? Es kommt darauf an. Wichtig ist sicher die Vielfalt der Aktivitäten, die realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten, seiner Ressourcen, seiner Geduld, um noch Neues zu lernen. Und schließlich das Setzen realistischer Ziele, die man in den letzten Lebensjahren (mit Glück Jahrzehnten) noch erreichen kann.
Wenn ich mir als Rentner ein Klavier kaufe, um mir endlich meinen Lebenstraum zu erfüllen, das Spielen zu erlernen, muss mir klar sein, dass ich keine Karriere als Konzertpianist anstreben kann. Vielleicht reicht es für ein Geburtstagsständchen, mehr nicht.
So ähnlich ist es auch in anderen Gebieten, Fotografie, Malen, belletristisch Schreiben usw. Nur mit viel Geduld und ziemlich harter Arbeit sind Erfolge möglich. Nützlich ist es sicher, wenn man den Weg als das Ziel definiert, sprich sich mit der Beschäftigung begnügt und sie als herausfordernde Unterhaltung begreift.
Zurück zum iPad. Es bleibt noch der Gesichtspunkt, dass neue innovative Technik auch schön sein kann und ästhetisch, dass es einfach Spaß macht, mit ihr umzugehen. Das hörte ich mal von einem Fotoworkshop-Teilnehmer. Er kauft sich immer wieder gern einen neuen tollen Fotoapparat, weil er die Technik so faszinierend findet. Ihm sei klar, dass eine neue, vielleicht technisch besser ausgestattete Kamera nicht automatisch bessere Fotos macht. Das sei ihm jedoch egal, wichtig ist die tolle Technik an sich.
Meine Traumkamera ist im Augenblick die Q3 von Leica (Preis aktuell bei Calumet 5950,-€). Die müsste ich mir – selbst wenn ich für meine aktuelle Ausrüstung von Sony noch 3000,-€ bei Inzahlungnahme bekäme – über Jahre vom Munde absparen. Trotzdem ist es eine von der Technik und vom Design her so schöne Kamera, die sicher auch tolle Aufnahmen ermöglicht und sich einfach gut anfühlt. Das gilt auch für das Design der Apple-Geräte. Windows-PCs sind mindestens ebenso leistungsfähig, auch die Notebooks, aber die Ästhetik der Apple-Welt ist tatsächlich eine eigene Nummer. Ganz klar, dass der Käufer eine Menge Geld nur dafür über den Ladentisch wandern lassen muss.
Man stelle sich mal vor, das neue iPad Pro ist nur 5 mm dick…